Sprachenportraits

&

ForschungspartnerInnen


Das Sprachenportrait


Am Anfang als Mittel zur Förderung von "language awareness" in multilingualen Grundschulklassen gedacht, hat sich das Sprachenportrait zur einer eigenständigen und international anerkannten Methode des sprach-biographischen Zugangs entwickelt. In unserem Forschungsprojekt war unser Anliegen, die Mehrsprachigkeit der untersuchten Personen in ihrer Vielfältigkeit soweit wie möglich zu erfassen und zu visualisieren. Dabei sollte die Einzigartigkeit, aber auch das Gemeinsame der verschiedenen multilingualen Welten verdeutlicht werden. Die Personen, deren Daten erhoben werden sollten, wurden zunächst gebeten über für sie persönlich bedeutende sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten, Ressourcen, bzw. Kommunikationsmöglichkeiten nachzudenken. Diese sollten dann mit farbigen Filzstiften zu einer vorgegebenen Körpersilhouette in Beziehung gesetzt werden. Zuletzt sollte noch eine Erklärung durch eine Legende seitens der ZeichnerInnen erfolgen.

Analyse & Ergebnisse


Forschungspartnerin Anna

Anna ist 32 Jahre alt und kommt aus Velika Kladusa (Velika Kladuša) in Bosnien und Herzegowina. Vor dem Krieg arbeitete Anna`s Vater in Wels, Oberösterreich, somit war es die logische Folge nach Österreich zu flüchten, als 1992 in Bosnien der Krieg ausbricht. Anna macht in Wels ihre Schulausbildung und ist vorwiegend mit ÖsterreicherInnen befreundet. 2003 kommt sie wegen dem Pharmaziestudium nach Wien. In Wien lernt sie eine große BKS-Community kennen und mit StudienkolegInnen und neuen Freundinnen lernt sie die BKS-Sprachen zum zweiten Mal, sagt sie. Obwohl Wels und Wien sehr unterschiedlich sind, liebt sie beide Städte. Inzwischen ist die Pharmazeutin mit einem Bosnier verheiratet. Zu Hause werden BKS und Deutsch gesprochen, in der Arbeit und mit Freunden vorwiegend Deutsch. Auch Anna wechselt manchmal, meist situationsbedingt mit Ehemann oder FreundInnen, zwischen den Sprachen. Wohl fühlt sich Anna in beiden Sprachen, aber besser ausdrücken und verständigen kann sie sich auf Deutsch.


Forschungspartnerin Isabella

Isabella ist 33 Jahre alt, hat zwei Kinder (11 und 5 Jahre) und lebt seit 1992 in Österreich. Als Flüchtlingskind aus Tuzla nach Wien gekommen, hatte Isabella das Glück bei einer österreichischen Gastfamilie unterzukommen. Sie besucht in Wien ihre erste Schulklasse und macht schließlich eine FriseurInausbildung. Ihren Ehemann lernt sie auch in Wien kennen und lieben. Auch wenn der Mann ein Bosnier ist, werden zu Hause sowohl B/K/S, als auch Deutsch gesprochen, in der Arbeit und mit FreundInnen fast nur Deutsch. In welcher Sprache ist Isabella zu Hause? Sie fühlt sich in der deutschen Sprachen am wohlsten. So kann sie ihre Gedanken und Wünsche am genausten wiedergeben und sie verbindet mit der Sprache Deutsch sehr positive Erfahrungen. Außerdem ist das Sprachverhalten, dass Deutsch an erste Stelle setzt, nach Isabellas Angaben ein Bestandteil erfolgreicher Integration. Es kommt oft vor, dass sie, in erster Linie zu Hause Code-Switching benutzt. Darauf ist sie stolz. Anderswie kann sie sich das Leben in Österreich nicht vorstellen. Später einmal, wenn Kinder groß sind und sie mehr Zeit für sich hat, möchte sie noch Italienisch lernen. 


Forschungspartner Mario

Als der Krieg 1992 nach Bijeljina (Bosnien und Herzegowina) kommt, entscheidet sich Mario`s Familie zunächst nicht zu flüchten. Erst fast gegen Ende der schlimmen Kriegszeit, im September 1995 gelingt die Flucht nach Deutschland. Mario ist sehr gut in der Schule, lernt schnell Deutsch und überspringt eine Klasse. Nach drei Jahren kehrt er mit seiner Familie wieder zurück. Nach dem Gymnasium entscheidet er sich für das Studium in Wien. Deutschkenntnisse hat er schon, somit ist er der Mehrheit seiner Landsleute einen Schritt voraus. Mittlerweile arbeitet der studierte Wirtschaftsrechtler für ein großes Bankunternehmen in Wien. Zu dem großen Freundes- und Bekanntenkreis des 31-Jährigen gehören auch sehr viele ÖsterreicherInnen, er selbst ist aber mehr mit B/K/S-SprecherInnen unterwegs. Letztes Jahr hat er eine gebürtige Bosnierin geheiratet. Obwohl zu Hause beide Sprachen gesprochen werden, bemüht er sich seine Muttersprache B/K/S mehr zu sprechen und mit Deutsch nicht zu mischen. Deutsch ist seine Arbeitssprache und mit FreundInnen und KollegInnen werden beide Sprachen gesprochen. Für Mario ist Code-Switching auch kein unbekanntes Phänomen, jedoch versucht er, die Sprachen strikt zu trennen, da, nach seinen Angaben, Code-Switching negativ besetzt ist und mit Sprachverlust assoziert wird. Als seine Sprache erster Wahl nennt er B/K/S.


Forschungspartnerin Greta

Greta ist 32 Jahre alt und bereits in Wien geboren. Ihre Eltern kamen in den späten 1970er Jahren im Zuge der Arbeitsmigrationsbewegung nach Wien. Greta hat ältere zwei Geschwister, die im Kleinkindalter mit nach Wien zogen. Greta selbst bekam mit 3 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft und erachtet das für sich als sehr wichtig, da ihre Eltern damals und sie heute Wien als den Lebensmittelpunkt betrachten. Greta wuchs zweisprachig auf und durch die Arbeit der Mutter, den Vater haben sie durch Krankheit verloren, als Greta 4 war, war Deutsch immer sehr präsent. Auch in der Schule und während der Lehrausbildung hat Greta vorwiegend Deutsch gesprochen. Ihre Freundschaften pflegte sie lange vorwiegend in der BKS-sprachigen Community. Sie und ihre engen Freunde und die Geschwister sprachen vorwiegend Deutsch und wechselten wild zwischen den Sprachen hin und her. Mit Anfang 20 heiratete Greta einen Mann aus ihrer Heimatstadt, mit dem sie seitdem in Wien wohnt. Ihr Mann spricht vorwiegend BKS, sodass sie ihre BKS-Kenntnisse und die Anwendung der Sprache im Alltag schnell ausbaute. Greta fühlt sich in Wien zuhause, hat dennoch ein zweites Zuhause in der ihrer Heimatstadt, dem Herkunftsort der Eltern und des Ehemannes. Durch ihren Ehemann lernte Greta kennen, welche Herausforderungen sich ergeben können, wenn eine Person in einen anderen Staat migriert.