Das Untersuchungsziel unseres Forschungsprojektes ist, die heterogene Sprach(en)welt der BKS-SprecherInnen in Wien anhand von vier Fallbeispielen darzustellen. Wir selbst haben uns für BKS als geografischen und sprachlichen Raum entschieden.
BKS begriffliche Zusammenfassung für bosnisch, kroatisch und serbisch hat nicht nur eine geografische und kulturelle, sondern vor allem eine starke politische Bedeutung. Obwohl unsere
ForschungspartnerInnen ihren Lebensmittelpunkt in Wien haben und sie nach eigenen Auskünften gerne in Österreich leben, haben sie alle einen mehr oder weniger engen Bezug zu ihren eigenen
Herkunftsländern oder den Herkunftsländern der eigenen Eltern und Verwandten. Fragen nach Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit der SprecherInnen und eigene und fremde
Abgrenzungsmechanischen zwischen den (neuen) neuen Nationalstaaten sind ein Thema im Leben der BKS-SprecherInnen. Die Verknüpfungen der BKS-Sprachen sind unter anderem auf Vorkommnisse in den
1990er-Jahren zurückzuführen. Im Jugoslawienkrieg kam es zum Zerfall Jugoslawiens, einhergehend mit der Bildung neuer Nationalstaaten. Diese Umbildungen hatten und haben Auswirkungen auf die
Leben der Menschen und deren Sprachenwelt. Aus serbokroatisch, dass die Region sprachlich einte, wurden offiziell bosnisch, kroatisch und serbisch. Der historische Zeitpunkt der
offiziellen Anerkennung der neuen Nationalsprachen ist nicht klar definiert. Neben den offiziellen Amtssprachen gibt es zahlreiche Dialekte und Sprachinseln innerhalb der Nationalstaaten. Die
Bezeichnungen sind eine Frage des sprachenpolitischen Handels, in diesem Zusammenahng stellen wir uns die Frage, ob man von drei verschiedenen Sprachen, von drei Varietäten oder einer gemeinsamen
BKS-Sprache sprechen kann. Diese grundsätzliche historisch gewachsene und politisch/kulturell aufgeladene Frage würde den Rahmen dieser Forschungsarbeit sprechen, sodass wir uns für das Feld der
BKS-SprecherInnen entschieden haben. Wir definieren unsere Gruppe anhand der selbst gewählten Zugehörigkeit der SprecherInnen, die bosnisch, kroatisch und/oder serbisch als ihre Muttersprache
ansehen.
Ein weiterer entscheidender Grund für eine gemeinsame Handhabung der BKS-Sprachen ist die große
Vielfalt und die Komplexität der BKS-SprecherInnen in Wien. Wer Teil der Community ist, ist je nach Selbstzuschreibung und Fremdidentität sehr unterschiedlich. Einige SprecherInnen bezeichnen
ihre Muttersprache nach wie vor als serbokroatisch oder sogar als "Jugo". Diese "Jugoidentität" eint Sprach- und Herkunfsbezeichnung, mit der SprecherInnen sowohl von innen als auch von außen
konfroniert werden. Unser Fokus liegt auf den sprachlichen alltäglichen Handlungen unserer InterviewpartnerInnen und deren persönlicher gelebter Mehrsprachigkeit.
Okuka, M. (1998). Eine Sprache - viele Erben. Sprachenpolitik als Nationalisierungsinstrument in Ex-Yugoslawien. Klagenfurt/Wien: Wieser Verlag.
Toŝović, B. (2008). Die kroatische Sprachenpolitik. In P. Braselmann & I. Ohnheiser (Hg.), Frankreich als Vorbild? Sprachenpolitik udn Sprachgesetzgebung in europäischen Ländern. Innsbruck: University Press, S. 99-116.