Interviews


Das Interview


Das Leitfadeninterview ist eine teil-standardisierte Interviewform, bei der die subjektive Sichtweise der interviewten Person im Mittelpunkt steht. Vor dem Interview werden Themen und Fragen erarbeitet. Der „Leitfaden“ stellt dabei das Ordnungsmuster bzw. die Stütze für die Fragen zu zentralen Themenfeldern dar. Diese Form des Interviews verlangt aktives Zuhören von dem/der InterviewerIn und wird als interaktiver, flexibler Prozess beschrieben. Dabei werden keine Antwortvorgaben vorgegeben. Eines unserer Anliegen war, eine gewisse Vergleichbarkeit der Ergebnisse von Einzelpersonen im Rahmen unserer Forschungsarbeit zu erhalten und dabei  bei der Interviewführung flexibel agieren zu können. Auch bestand der Bedarf, möglichst viele wesentliche Aspekte der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit unserer InterviewpartnerInnen zu erfragen und eine Übersicht beizubehalten. Das führte uns zu dieser Form des Interviews.

Analyse & Ergebnisse


Forschungspartnerin Anna

Zu Beginn des Interviews wurde Anna gebeten, ihre Migrationsbiographie kurz zu erzählen (Wann und warum bist du nach Österreich gekommen?)

Also, mein Name ist Anna ich bin 32 alt. Nach Österreich bin ich im Jahr 1993 gekommen, weil mein Vater in Oberösterreich gearbeitet hat.  Bis zum 7. Lebensjahr habe ich nur Kroatisch gesprochen und in der Schule habe ich dann Deutsch gelernt. Dadurch funktionierte die Eingliederung eigentlich sehr gut, weil es mit 7 Jahren anders ist, als wenn man älter ist. Ich habe das nicht wirklich, nicht richtig mitbekommen. Der Auslöser für die Migration war, dass mein Vater schon vorher gearbeitet hat und dass wir, als Familie, dann beschlossen haben nach Österreich zu ziehen. 2005 bin ich nach Wien umgezogen und habe beschlossen Pharmazie zu studieren.

 

Welche Sprachen werden zu Hause gesprochen? Mit Wem?

Zu Hause bei meiner Mutter wird ausschließlich Kroatisch gesprochen. Sonst mit meinen Geschwistern wird teils-teils gesprochen, kommt auf die Situation darauf an, vielleicht ein bisschen mehr Kroatisch. Zuhause mit meinem Mann sicherlich mehr Kroatisch als Deutsch. Sonst mit Freunden kommt darauf an: mit den österreichischen Freunden natürlich Deutsch und sonst mit den kroatischen Freunden oder den bosnischen wird mehr Kroatisch gesprochen.

 

Welche Staatsbürgerschaft hast du?

Die österreichische Staatsbürgerschaft

 

Welchen Beruf übst du aus?

Ich bin Apothekerin.

 

Hast du hier den Abschluss erworben?

Ja, in Wien.

 

Wie wird deine Muttersprache in der Öffentlichkeit erlebt?

Es kommt ganz darauf an: in der Arbeit erlebe ich sie als einen sehr positiven Effekt, weil man dadurch mit den KundInnen besser sprechen kann.

 

Bietet ihr (in der Apotheke) auch Beratung auf BKS an?

Ja, wir bieten in der Apotheke eine Beratung auch in Kroatisch, Bosnisch und Serbisch an.In der Öffentlichkeit gibt es schon Situationen, wo sich natürlich deine eigenen Landsleute nicht korrekt benehmen, ein bisschen peinlich, da wird die Sprache als schlecht gewertet wird.

 

Also seitens der Kroaten oder?

Nein, ich glaub seitens der ÖsterreicherInnen aber natürlich, wenn man laut ist, vor allem wenn das in einer anderen Sprache ist, ist das natürlich immer noch schlimmer aber ich glaub es ist dann egal, ob sie jetzt Kroatisch ist oder Türkisch, das fällt einfach mehr auf.

 

Hast du dann auch Situationen erlebt wo Deutsch schlecht bewertet wird?

Also die Sprache Deutsch habe ich noch nie bemerkt, dass es jemand in Österreich schlecht bewertet hat. Aber andererseits, wenn ich zum Beispiel nach Kroatien gehe und meine Freunde sprechen dann dort Deutsch, dann kommt das nicht gut an. Ich finde es auch zum Teil unhöflich und dann die Unsicherheit, wenn jemand das Gesprochene nicht versteht, was man dann sagt. Also sie verdrehen die Augen, wenn man Deutsch spricht. Aber ich glaub es liegt mit einer Fremdsprache zusammen.

 

Hatten deine Sprachkenntnisse einen Einfluss auf deinen Bildungsweg?

Nein, absolut gar keinen.

 

Verwendest du BKS und Deutsch manchmal gleichzeitig?

Also, ich glaub vor allem mit meinen Geschwistern oder mit meiner Schwester, spreche ich beide Sprachen gleichwertig, sogar im gleichen Satz, was natürlich nicht schön ist, das versuch ich sehr zu meiden, aber wenn die anderen mitmachen, bin ich auch dabei. Und vor allem mit den Freunden aus Oberösterreich, das ist dann wirklich so, diese teils-teils Sätze.

 

Teils-Teils heißt, dass du zwischen den Sprachen wechselst innerhalb von einem Satz?

Ja, stimmt. Man nimmt einfach die ersten Wörter, die einem einfach einfallen, die wendet man an.

 

Erlebst du beide Sprachen als gleichwertig?

Ja, also für mich persönlich ja. Also komplett als gleichwertig jetzt, mittlerweile vorher war ich ein Bisschen unsicherer mit der kroatischen Sprache, aber durch das Studium in Wien, wo ich so viele Personen aus Kroatien kennengelernt habe, die die Sprache perfekt sprechen, habe ich das Gefühl, dass meine Sprache jetzt dadurch noch besser geworden ist, die kroatische natürlich.

 

Gab es in der Vergangenheit auch negative Kommentare im Bezug auf die Verwendung der Minderheitensprache in Wien in diesem Fall Kroatisch im Öffentlichen Raum, im Studium oder am Arbeitsplatz?

Ja, das gibt´s immer. Also wenn man die Sprache anwendet, ich glaub auch, wenn ich in der Apotheke jetzt Kroatisch spreche, dass es sicher Leute gibt, die die Augen verdrehen.

 

Merkst du was davon ab und zu?

Nein also Ich merke das mehr, wenn jemand anderer Kroatisch spricht, dass die Leute die Augen verdrehen, also, aber ich glaub, das ist eh nicht so eng, das ist nicht die kroatische Sprache. Das ist einfach eine Fremdsprache. Ist eine Unsicherheit, jemand der dich nicht versteht. Es kommt immer drauf an, wie man sie benutzt, wenn man jemandem hilft, dann ist es okay. Wenn man es aber benutzt - obwohl die andere Person sehr gut Deutsch kann – natürlich kommt es dann nicht gut an, was ich aber vollkommen verstehe.

 

Ist bei dir eine Identifikation mit der sogenannten Jugo-Identität vorhanden? Kannst du etwas damit verbinden?

Ich glaub einfach alle, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen, kann man so sagen, dass sie eine Jugo-Identität haben, aber ich würde es nicht so verwenden in dem Kontext, weil es klingt oft ein bisschen negativ oder proletig, also ich gebe immer heraus, dass ich aus Kroatien komme, aber ich würde nicht sagen „Ich bin Jugo“. Das klingt jetzt für mich jetzt nicht wirklich gut, vom Kontext. „Ich bin von Balkan“ glaub ich oder „ehemaligen Jugoslawien“ aber „Jugo“ hat ein Bisschen was negatives, viel wurde es früher als Schimpfwort verwendet.

 

Wie steht die kroatische Sprache zu anderen Sprachen aus der ehemaligen Jugoslawien?

Recht gut, früher in dem ehemaligen Jugoslawien Bosnisch, Kroatisch, Serbisch war die wichtigste Sprache. Und ich glaub, dass sie einen sehr guten Wertstandpunkt hat.

 

Bei den öffentlichen Institutionen ist die Beratung in beiden Sprachen angeboten – Deutsch bzw. BKS – welche der beiden Sprachen benutzt du dann?

Ja, natürlich komplett Deutsch, weil ich hier aufgewachsen bin und mich einfach sicherer fühle in dieser Sprache und weil ich sicher viele Fachwörter im Kroatischen nicht kenne.

 

Welche Themenbereiche werden meistens mit den Sprachen verknüpft?

Die beruflichen Themenbereiche werden vor allem mit deutsch verknüpft und eine Fremdsprache ist zusätzlich noch Englisch. Auf kroatisch kenne ich viele Sachen nicht. Ich muss auch immer wieder nachschauen was das bedeutet. Und ich glaub, wenn es so emotionale Sachen sind, oder wenn man Kindersachen erzählt, dann ist es vordergründig auf kroatisch.

 

Forschungspartnerin Isabella

Zu Beginn des Interviews wurde Isabella gebeten, ihre Migrationsbiographie zu erzählen. (Wann und warum bist du nach Österreich gekommen?)

Ich heiße Isabella ich bin 33 Jahre alt, komme ursprünglich aus Bosnien. Ich bin 1993 nach Wien gekommen und wurde von einer österreichischen Familie aufgenommen Ich habe dann [in Österreich] die Volksschule und die Hauptschule besucht.

 

Wie meinst du von einer Familie?

Aufgenommen von einer österreichischen Familie, zu der Zeit, als die Flüchtliche aus Bosnien Herzegowina kamen und aufgenommen wurden. Sie haben uns aufgenommen, unsere gesamte Familie, mit meiner Mama und meiner Schwester.

 

Hattest du schon davor Kontakte mit der deutschen Sprache gehabt?

Nein, habe ich nicht. Erst als ich in Österreich war.

 

Wie ist das Eingliederungsprozess in der österreichischen Gesellschaft verlaufen?

Eigentlich problemlos, soweit ich zurückdenken kann. Also, es war sehr viel Unterstützung von der Familie, die uns eben sehr viel geholfen hat, was die schulische Ausbildung anbelangt.

 

Was war der Auslöser für die Migration?

Der Bosnienkrieg.

 

Welche Sprachen werden bei dir zu Hause gesprochen? Und mit wem?

Mit meinen Kindern wird meine Muttersprache sehr viel gesprochen, auch zu Hause. Aber zu großen Teilen deutsch: mit den Kindern, mit dem Partner, im Beruf.

 

Mit Bekannten?

Ebenso

 

Welche Staatsbürgerschaft hast du?

Ich habe vor kurzem die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt und ich habe sie auch erhalten.

 

Wie erlebst du die Sprache BKS in der Öffentlichkeit?

Eigentlich ganz offen. Ich habe jetzt keine Hemmungen, wenn ich nicht zu Hause bin, dass ich jetzt nur außerhalb des … dass ich jetzt Deutsch sprechen muss und ich spreche nach Lust und Laune eigentlich, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Natürlich achte ich schon, dass mit den Kindern Deutsch gesprochen wird.

 

Was ist da ausschlaggebend dafür, dass in diesem Fall Deutsch so wichtig ist?

Ich glaube, dass ich eben sehr jung war, als ich nach Wien gekommen bin, ich war sechs, und durch diese Familie und durch das Zusammenleben mit den Österreichern sozusagen, ich glaub, dass sich unser Alltag so einfach entwickelt hat, dass wir wirklich schon mit meiner Mutter in der Muttersprache gesprochen haben aber auch die Mama hat selber sehr viel österreichisch gesprochen.

 

Wie würdest du das bezeichnen?

Positiv, für mich positiv.

 

Was ist dein Beruf?

Ich bin Friseurin.

 

Haben deine Sprachkenntnisse einen Einfluss au deinen Bildungsweg?

Nein.

 

Gab es bislang auch Situationen, die du negativ in Verbindung mit deiner Muttersprache bzw. mit Deutsch verbindest?

Eigentlich nicht. Was mir aufgefallen ist, einfach sehr viele sagen, dass ich sehr gut Deutsch spreche. In der Muttersprache, negativ nicht, aber ich kann mich besser ausdrucken auf Deutsch, als in der Muttersprache. Wenn es Amtswege sind, früher wenn ich den Reisepass beantragen haben müssen in der Botschaft, habe ich mir dort schwer getan, einfach das Formular auszufüllen oder mich mit den Behörden auseinanderzusetzen.

 

Du bist nicht in eine bosnische Schule gegangen?

Genau, ich war gerade ein paar Monate in der Schule und bin nun quasi wie ein Analphabet nach Wien gekommen. Ich habe die Sprache nicht können, die Muttersprache nicht wirklich, glaub ich. Und somit hab ich halt das Deutsch sehr angenommen, deswegen glaub ich, wende ich auch sehr viel Deutsch an.

 

Und es gab Unterricht in der Muttersprache in Wien?

Nein, damals nicht, nein. Es gab eine kroatische Schule, also das war keine Schule, das war ein Zwischenstopp, wo wir waren, in einer Kirche, in einem Flüchtlingsheim. Da gab’s kroatischen Unterricht, und da war ich einfach, glaub ich definitiv zu klein, weil ich hab dann mehr geweint, als ich dort anwesend war, wenn ich ehrlich bin.

 

Merkst du, ob sich die Einstellung zu deiner Muttersprache in den letzten Jahren verändert hat?

Eigentlich schon, ja. Das schon, weil ich glaube, damals wie ich meinen Mann kennengelernt hab, der auch sehr viel Bosnisch spricht, durch ihn habe ich dann einfach mehr zu Hause Bosnisch gesprochen oder durch ihn haben wir gemeinsame Freunde, wo einfach viel Muttersprache auch gesprochen wird und das hat eben dazu beigetragen, dass ich auch jetzt beide quasi kann.

 

Wie wird deiner Meinung nach BKS empfunden?

Ich glaube ich merke das nicht. Das wird sicher immer irgendeinen Hintergrund haben bei jedem Zuwanderer, der einfach Wurzeln woanders hat, das wird immer ein Thema sein, bei manchen Menschen mehr bei den anderen weniger, wenn ich ehrlich bin.

 

In welchen Situationen verwendest du diese Sprache, wenn du sie überhaupt verwendest? Wann meistens? Zu welchem Thema zum Beispiel?

Zu Hause. Zu Hause, wenn ich die Kinder korrigier, weil es mir dann auffällt, dass sie eben die Muttersprache nicht so toll sprechen, vielleicht genauso wie ich und ich ihnen ermöglichen möchte, dass sie beides können. Auch in der Schule wird die Muttersprache angeboten. Dahin ist eine schon gegangen und das merkt man schon, dass sie natürlich besser spricht, besser schreiben kann und lesen kann. Und zu Hause wende ich schon an, weil ich sie unterstützen möchte, dass sie eben beides können, dass sie zweisprachig aufwachsen.

 

Gab es negative Kommentare über die beide Sprache in den öffentlichen Raum?

Ja, das gab schon. Das gib´s immer wieder und da hör ich einfach weg, beziehungsweise ich argumentier dann das so, dass ich einfach von gestern habe und eben mit einer Arbeitskollegin in der Muttersprache gesprochen hab übersetzt es demjenigen, damit man nicht glaubt es wird irgendwie hinterrücks gesprochen, das hat sich erledigt für mich, also das ist jetzt nicht bewusst, sondern unbewusst was passiert.

 

Hat sich deine Einstellung zur Sprache bzw. zur Politik geändert?

Ich finde, das ist gleich geblieben. Es wird sicher negative Einflüsse geben und manchmal/meistens positiv aber da tue ich mir nicht viel an.

 

Gibt es auch Kommunikationen, wo du innerhalb eines Satzes Sprache wechselst?

Ja, das gibt es. Oft auch.

 

In welche Situationen?

Meistens…wenn ich zum Beispiel zu Hause etwas beschreiben möchte und irgendwie nicht weiß…ja, das passiert eigentlich unbewusst. Keine Ahnung, ich kann das gar nicht steuern. Auch mit den Kindern genauso.

 

Warum passiert so was deiner Ansicht nach?

Ich glaube, dass man einfach nicht konsequent in einer Sprache bleibt und sich vielleicht ein bisschen mehr Zeit nimmt und überlegt wie man das erklären könnte, sondern einfach durch die Bahn spricht und…ja.

 

Wie erlebst du dieses Vorgehen?

Ich hab jetzt ein schlechtes Gewissen, ich überleg mir dann ich hätte das vielleicht besser in einer Sprache erklären sollen. Wenn die Zeit da ist, oft ist die Zeit nicht da, um…

 

Hängt das auch mit Themen zusammen? Das du z.B zu einem Thema vorwiegend in einer Sprache sprichst?

Vorwiegend im Beruf ist eben Deutsch, wenn ich mich mit Kundinnen unterhalte und eben über die Haare und Diagnose und wie ich… mit welchen Mitteln zu einem Ziel kommen kann, dann wird es meistens, dann natürlich auf Deutsch und dann kann ich mich am besten ausdrucken. Sofern ich dann eben in der Muttersprache mit jemandem über dasselbe Thema spreche, da fällt mir nicht so viel ein.

 

Kannst du irgendwas mit dem Begriff Jugo-Identität anfangen? Kannst du dich darunter auch irgendwie identifizieren oder?

Keine Ahnung, also ich find, dass es so ein Begriff…

 

Wird es dann benutzt?

Es wird benutzt, es wird natürlich viel außerhalb benutzt oder das wird schon oft erwähnt auch… Aber ja, natürlich kommen wir alle aus dem ehemaligen Jugoslawien und es ist auch ok. Es ist für mich jetzt kein Schimpfwort oder... Ist halt so.

 

Also kein Schimpfwort?

Nein! Ja, wir sind viele von dort, oder zum Beispiel auch aus Ungarn, die auch in Österreich leben und das ist einfach… ja. Wie weit ich mich integriert habe, das bleibt dann mir übrig, find ich und wenn man sich bemüht und wenn ich mich selber so fühle wie ich mich wohlfühle im Moment, dann ist es in Ordnung auch wenn jemand das zu mir sagt oder erwähnt.

 

Wie steht die kroatische bzw. die bosnische Sprache zu den anderen Sprachen aus der ehemaligen Jugoslawien? Kannst du das irgendwie vergleichen?

Ich kann wenig vergleichen, weil ich eben die Muttersprache auch nicht wirklich gelebt habe in dem Sinn in Bosnien. Ich kann es nur damit eben erklären, wenn ich auf Urlaub fahre nach Kroatien dann merkt man dann schon, dass verschiedene Sachen/Ausdrücke anders sind als in den Bosnischen oder Serbischen aber jetzt wirklich, nein.

 

Was sind deine Zukunftspläne in Bezug auf die Sprachen(biographie)?

Ich habe mir vorgenommen mit 40, viele Bücher zu lesen einfach, weil ich das ganze Leben verabsäumt hab: erstens die Flucht, dann die Mama, die schwer krank war, jetzt die Kinder. Mit 40 möchte ich dann eben Bücher lesen, Sport machen, für mich selber mehr tun, genau, das ist mein Ziel. Sprachen könnte ich auch lernen, könnte ich auch… Italienisch möchte ich lernen. Hab ich so einen Wunsch… schaummamal. Es wär so mein… Mein Ziel für die nächsten paar Jahre.

Forschungspartner Mario

Kannst du deine Biographie erzählen?

Also Mein Name ist Mario, ich bin 30 Jahre alt, komme ursprünglich aus Bosnien. Mit der deutschen Sprache bin ich erstmals in Berührung gekommen dadurch, dass ich als 8-jähriger nach Deutschland ausgewandert bin während des Krieges dann (bin ich) wieder zurück in meinem Heimatland und 2005 mit 18 Jahren bin ich nach Wien, Österreich gekommen zu studieren. Das ist auch der Punkt wo Deutsch mein Leben bestreite, sozusagen.

 

Was war der Auslöser für deine Migration?

Kurz und knackig: Perspektive. Es hat schon geholfen, dass ich als kleines Kind mit 7/8 die deutsche Sprache gelernt habe, was natürlich sehr hilfreich ist, wenn man die Sprache in jungen Jahren, mühelos erlernt, ohne das irgendwie mitzubekommen. Was ich im Vergleich zu vielen Freunden und Bekannten merke, die erstmals während des Studium oder mit 18/19 mit der Sprache in Verbindung gekommen sind und da, die erst erlernt haben. Ein großer Pluspunkt ist das, dass man das Gefühl für die Sprache dann viel mehr kriegt.

 

Welche Staatsbürgerschaft besitzt du?

Ich besitze die bosnische Staatsbürgerschaft, also nicht die österreichische.

 

Gibt es eine Bestrebung nach einer österreichischen auch?

Wahrscheinlich schon, aber bestreben würde ich nicht sagen. Grundsätzlich ist es so wie vielleicht bei vielen Sachen: das kommt wahrscheinlich dann irgendwann von alleine, mit der Zeit. Wie das auch ich hatte nie bestreben oder nie gesagt: ich will auf jeden Fall hierbleiben! Ich will auf jeden Fall! Aber das hat sich natürlich dadurch entwickelt, dass man das Studium abschließt und dann irgendwann sich ein Job sucht und dadurch kommen die Dinge dann eigentlich von alleine. Ich glaube, dass das auch mit der Staatsbürgerschaft das Gleiche sein wird, dass ich irgendwann wahrscheinlich auch diese annehme.

 

Wie war dein erster Kontakt mit der deutschen Sprache in Österreich? Und wie erlebst du jetzt dein Sprachrepertoire im Alltag?

Wie erwähnt: Dadurch, dass ich die Sprache schon gekannt habe, ist es darum eigentlich sehr rasch und flüssig verlaufen.  Natürlich wenn man mit 18 Jahren kommt, das Gute, sage ich immer, nimmt man viele Sachen einfach als gegeben und man hinterfragt viele Sachen nicht, man macht sich nicht so viel Kopf oder Gedanken. Dadurch glaub ich, dass es sehr gut verlaufen ist.

 

Wie schaut es mit deinen Sprachkenntnissen aus?

Ich kann sehr flüssig zwischen Sprachen wechseln, was sich auch sehr gut widerspiegelt zu Hause: ich rede mit meiner Frau, dadurch dass sie auch nicht Österreicherin ist, sie hat die österreichische Staatsbürgerschaft aber kommt aus dem Ausland und wir reden BKS zum Teil und zum Teil Deutsch. Wir versuchen das strikt zu trennen. Wir sagen: „Ok, wir reden jetzt grundsätzlich BKS“. Und meistens reden wir Deutsch, wenn wir über Themen reden, die nicht den Alltag betreffen, die vielleicht Sachen betreffen, wo natürlich der Muttersprache viele Wörter fehlen. Zum Beispiel mit Freunden, die das gleiche wie ich machen oder studiert haben, dann werden wir über diese Themen (des Studiums bzw. der Arbeit) auf Deutsch, weil uns viele Wörter fehlen. Wenn man über Themen spricht, die man in den Nachrichten liest, über Politik oder so was, dann ist es natürlich einfach, dass man viele Sachen auf Deutsch gleich aufnimmt und dann weitermacht. Wenn ich es grob unterteile, was vielleicht ein bisschen zu viel ist, zwischen Alltag oder einfache Sachen dann rede ich BKS oder Serbo-Kroatisch und spezielle Themen dann Deutsch. Wenn ich weitergehe: in der Arbeit natürlich meistens Deutsch aber zum Beispiel öfters, wenn ich Mittag essen gehe mit Kollegen oder Bekannten, Freunde, jetzt arbeitsmäßig dann rede ich Bosnisch, also wenn sie Migrationshintergrund haben. Vor allem würde einen großen Unterschied sehen: auf meine Muttersprache kann ich sehr gut, oder kann man viel besser zum Beispiel Humor ausdrücken, solche Sachen die dann wirklich einen großen Konnex zu der Sprache haben.

 

Im öffentlichen Bereich bin ich nicht der Initiator einer Konversation auf meiner Muttersprache, sondern grundsätzlich (der) Deutsch (Sprecher). Auf der einen Seite es ist nicht, dass ich mich schäme oder nicht wollen würde, aber ich bin einer, dass wenn mehrere Personen im Raum sind oder so was mag ich es nicht, ich will nicht, dass sich jemand unwohlfühlt, was wahrscheinlich oft der Fall wäre, wenn man eine Sprache verwendet, die jemand nicht kann, ich vermeide das. Ich gehe immer davon aus, dass wenn man in einem Land lebt, dann sollte man schon im öffentlichen Bereich die Sprache verwenden, die die meisten kennen oder können.

 

Passiert es auch, innerhalb eines Satzes die Sprache zu wechseln?

Ja, ist es schon. Wahrscheinlich öfters versuche ich es, zu vermeiden, weil ich es nicht so mag.

 

Warum?

Weil ich mich schlecht fühle. Ich hab irgendwie das Gefühl, dass mir tun die Ohren weh. Tut es weh, wenn ich jemanden höre, der so spricht und es tut weh, wenn ich mir selber höre. Aber zwangsläufig, wechsle ich dadurch, dass mache Wörter mir nicht in den Sinn kommen, die ich zum Beispiel in einer Sprache öfters verwende, was meistens der Fall ist in Deutsch. Meistens ist es der Fall, wenn ich Serbokroatisch rede und dann mir ein Wort sofort einfällt, dann sage ich es auf Deutsch, weil ich wahrscheinlich das Wort (auf Serbokroatisch) nicht viel mehr benutze, fällt es mir nicht ein so schnell, dass passiert öfters, muss ich schon zugeben. Obwohl ich es immer wieder versuch, zu vermeiden, aus diesen Gründen: es tut einfach weh.

 

Assoziierst du das mit einer schlechten Sprachenkenntnis?

Sicher, sicher, ich assoziiere das mit einer schlechten Sprachkenntnis. Und ich habe immer die Befürchtung, wenn ich das einfach so mache, dass das immer öfters passiert und als normal von mir angesehen wird, und dass ich so spreche.

 

Den Humor druckst du auf Serbokroatisch aus?

Schon, viel mehr. Weil ich glaube für den Humor braucht man schon ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren: die Gestik muss stimmen, die Intonation muss stimmen. Das ist viel schwieriger auf einer Sprache, die nicht die Muttersprache ist, obwohl man sie vielleicht (Zweite Sprache) gut beherrschen kann. Es ist schon schwieriger. Nichtsdestotrotz kann ich schon witzig sein auch auf Deutsch.

 

Wie findest du den österreichischen Humor?

Ich muss sagen, viel besser als den Ruf, den er hat. Schon viel besser.

 

Welchen Ruf hat der österreichische Humor?

Relativ gesehen, in Ex Jugoslawien hat er schon einen schlechten Ruf. Wahrscheinlich ist er auch schlecht jetzt, er ist einfach auf einer anderen Ebene. Viel bodenständiger, sag ich jetzt mal, wir Ex Jugoslawen haben schon sehr vielen schwarzen Humor, den man nicht oft bei den Österreichern bringen könnte. Trotzdem glaub ich mit der Zeit, kann ich schon eine Entwicklung bei mir feststellen. Auch vor 6/7 Jahren hätte ich nicht so lächeln können, wie ich jetzt vielleicht mache. Aber natürlich das ist die Integration auch auf dieser Ebene.

Forschungspartnerin Greta

Gretas Interview fand an einem Freitagnachmittag in einem kroatisch geführten Kaffee in der Nähe ihres Arbeitsplatzes statt. Ihr Interview erstreckte sich über mehrere Stunden. Neben den Sprachbubbles (Netzwerkanalyse) im ersten Teil des Gesprächs haben wir viel über Wörter gesprochen, die in der einen oder anderen Sprache nicht vorhanden sind und was es bedeutet, so zerrissen zwischen zwei Heimaten zu sein.

 

Auch kamen wir darauf zurück, dass mangelnde Sprachkenntnisse ein Hindernis für eine Person darstellen, weniger weil etwa ÖsterreicherInnen das negativ finden oder BKS-Sprecher in ihrem Heimatland das negativ fänden, wenn ein Besucher, eine Besuch-erIn oder ein "Zugezogner" eine "Zugezogene" die Sprache kaum sprechen, sondern weil es im Alltag ein großes Hindernis ist und Greta selbst sich dann "dumm" vorkommt oder betont, dass der Ehemann, der wenig Deutsch kann, doch als "dumm angesehen werden könnte, weil er sich nicht ausdrucken kann".

 

Das hängt für Greta nicht von der Sprache selbst oder von der geografischen Lage ab, sondern damit zusammen, dass Sprachkenntnisse wichtig sind, um teilnehmen zu können. Die Sprachkenntnisse beeinflussen stark, mit wem wir uns anfreunden, wo wir arbeiten können und wo Hilfe erforderlich ist. Ein einfacher Arztbesuch, der zum täglichen Leben gehört wird bei fehlenden Sprachkenntnissen zum Hindernis.

 

Sprache als Teil ihrer Herkunft und Sprache als Teil des Kroatischseins sind für Greta wichtige Bestandteile, die sie seit sie mit ihrem kroatischen Ehemann, aus der Heimatstadt ihrer Eltern kommend, ausleben kann. Ihre Kontakte haben sich in diese Richtung verlagert und mit dem Partner, der kaum Deutsch spricht, kommt sie immer wieder in Situationen, in denen sie selbst gewisse Begriffe in ihrer eigenen Muttersprache noch nicht verwendet hat.

 

In dem vorliegenden Teil des Transkripts geht es um Ruck-sack und darum, dass es einen Unterschied macht, ob man dort aufwächst, wo die Muttersprachen von der Mehrheits- gesellschaft gesprochen wird oder nicht und somit die Begriffe und die Art der Unterhaltungen darauf ausgelegt sind.